Arbeitsminister Dr. Martin Kocher im FCG/GPA Betriebsrät*innen - Talk

Erst knappe zwei Monate im Amt und schon gab sich Arbeitsminister Martin Kocher ein Stell dich ein mit über 80 Betriebsrätinnen und Betriebsräten der Fraktion Christlicher GewerkschafterInnen in der Gewerkschaft GPA. 

Nach der Begrüßung durch FCG/GPA Bundesvorsitzenden Wolfgang Pischinger, begann die erste online BR Diskussion live aus dem Arbeitsministerium. Dr. Martin Kocher stand dem Moderator Bundesgeschäftsführer Franz Gosch eine zackige Stunde Rede und Antwort zu Fragen rund um die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt, die Auswirkungen der Corona Krise sowie Perspektiven durch die Krise und die Digitalisierung.

Gleich zu Beginn gab Kocher die erfrischend positive Einschätzung, dass sich der Arbeitsmarkt durch die Strategie der vielen Testungen, der bereits umfassenden Schutzmaßnahmen sowie einer langsamen und vorsichtigen Öffnung, entspannen werde. Endlich wieder einmal positive Töne aus der Politik, neben all der täglichen und wöchentlichen Hiobsbotschaften.

Ebenso der Blick in die Zukunft  war optimistischer als erwartet. Der Minister betonte, dass Österreich vor der Krise die Hausaufgaben gemacht hätte und das Land auf Niveau des Schuldenstandes von nach der Finanzkrise 2009 wäre. Er mache sich momentan keine Sorgen über die Schulden, die durch die Corona-Massnahmen entstanden seien. Österreich stehe verhältnismäßig gut da. Das, was das Teuerste an dieser Krise sei, sei die Kurzarbeit, die Kocher als teuerste Einzelmaßnahme und auch gleichzeitig als wichtiges Instrument bezeichnete, um Arbeitsplätze zu retten. Er verkündete, dass mit den Sozialpartnern vereinbart wurde, die Kurzarbeit bis Juni zu verlängern (Phase 4) und dass auch Phase 5 bereits paktiert sei, da es Bereiche gäbe, die weiterhin die Kurzarbeit brauchen werden.

Der Fokus des Ministers für Arbeit liegt besonders auf der Aus- und Weiterbildung. 700 Millionen seien budgetiert, um Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt  zu integrieren bzw. um ihnen nach der Pandemie einen besseren Arbeitsplatz anbieten zu können. Unter dem Namen „Corona Joboffensive“ wird vor allem Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Pflege, den Mint-Fächern, Klima/Umwelt sowie Digitalisierung gefördert.

Auf eine Frage aus dem Chat stellte der Minister fest, dass die Pandemie zu einer Zweiteilung der Arbeit führe. Einerseits verursache die Krise eine hohe Arbeitslosigkeit, andererseits führe ein starker Jobabbau zu einer stärkeren Belastung von Menschen, die im Job verbleiben, durch Kündigungen jedoch die Arbeit ihrer KollegInnen mitmachen müssten. Das sei zum Beispiel vor allem im Pflegebereich ein großes Thema, wonach der Minister 7500 neue Stellen in Aussicht stellte.

 

Angesprochen auf seine Einschätzung, welche Auswirkungen Corona auf die Arbeitswelt hätte, meinte Kocher, dass Corona die Arbeitswelt nicht substantiell verändern werde, bis auf die Tatsache, dass es seitdem mehr Homeoffice gäbe. Er sei davon überzeugt, dass Krisen den Strukturwandel  beschleunigen und das werde auch diesmal der Fall sein. Was jedoch aus seiner Sicht zu Veränderung führen werde sei der demographische Wandel, der jedoch nichts mit der Pandemie zu tun hätte. Um diesen abzufangen werde Aus- und Weiterbildung weiterhin wichtig sein, die Teilzeitquoten müssten reduziert werden sowie ältere MitarbeiterInnen müssen in Beschäftigung gehalten werden. Kocher ist der Meinung, dass sich Tätigkeitsprofile verändern werden, die Digitalisierung in Österreich jedoch mehr Arbeitsplätze schaffen als vernichten werde. Davor sei es jedoch essenziell, Österreich digitalisierungsfit zu machen: wir bräuchten Technologie, einen rascheren 5G Ausbau, aber vor allem spezifische Maßnahmen bei der Qualifizierung von ArbeitnehmerInnen. Der Minister spendete Mut, indem er auf die Geschichte verwies, die zeige, dass technologischer Fortschritt immer positiv war. Auch jetzt werden Arbeitsplätze besser werden.

Bundesgeschäftsführer Gosch teilte dem Minister die Sorge mit, dass Homeoffice ein Outsourcing begünstigen würde. Wenn Unternehmen erkennen, dass Arbeit von überall her machbar sei, könnten sie Tätigkeiten in Niedriglohnländer verlagern. Kocher entgegnete mit einer Studie, die zeige, dass die Arbeit in Hybrid funktionieren werde, dh von zuhause sowie vom Büro aus. Laut der angesprochenen Studie wünschen sich ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen rund 1-2 Tage Homeoffice pro Woche, der Rest der Arbeit solle nach wie vor im Büro vor Ort stattfinden.

Zum Schluss setzte sich der Minister selber noch die Latte hoch indem er proklamierte, besser sein zu müssen als die Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute. Er bekräftigte seine nächsten Ziele, wie etwa die letzten Meter gut durch die Pandemie zu kommen, wenn der Aufschwung kommt, gut vorbereitet zu sein, vor allem für Langzeitarbeitslose etwas zu tun sowie Beschäftigung zu schaffen und Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Eine spannende Herausforderung für den ehemaligen wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Höhere Studien.
Unterm Strich präsentierte sich ein überraschend offener und positiver Arbeitsminister im Betriebsrät*innen Talk.